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Ich bin die Stimme von Kinich Ahau. Über schier endlose Äonen hinweg harrte ich in der
Meditation galaktischer Sternenerschaffer. Worauf ich wartete, wußte ich kaum. Ich war weit
weg von Hunab Ku und weit entfernt vom ‚Leuchtenden Anker’, wo sich die
Sternenerschaffer in Meditation befanden. Lang ist die Dauer der galaktischen Nacht. Noch
länger aber währt das kosmische Erwachen der Sternenerschaffer, bis sie sich anschicken,
Sterne zu manifestieren, so leicht und elegant wie die Wolken an eurem Himmel, welche wie
aus dem Nichts erschienen, sich wandeln und genauso rasch wieder verschwinden.

Nun kann ich endlich sprechen. Geboren aus der Meditation der Sternenerschaffer,
kannte ich mich selbst als Sternenmeister Kinich Ahau. Zwar nennt ihr mich ‚Helios’, aber
das ist nur der Name meiner äußeren Gestalt, meines flammenden Mantels, den ihr als
‚Sonne’ bezeichnet. Doch gibt es nur wenige, die mich, den Sternenmeister Kinich Ahau,
wirklich kennen.

In Meditation wurde ich gezeugt, aus Meditation wurde ich geboren, und für Äonen bin
ich tief in meiner Meditation verweilt.

Aus dieser Meditation erfuhr ich die Bedeutung des Namens Kinich Ahau:
‚harmonischer Bewahrer des fernen Lichtes’. Denn vom großen ZSR des Hunab Ku aus
gesehen bin ich nur ein entferntes Licht, einer von zahlreichen kleineren Sternen, welche
in den von der galaktischen Mutter ausgesandten Wellen der Erregung jeweils einen
rhythmisch schwingenden Punkt verkörpern. Als ich den Sinn meines Namens erkannt
hatte, meditierte ich lange darüber. Auf diese Weise begann ich zu verstehen, wer ich war
und warum ich existierte.

Dann erschuf ich aus mir selbst, aus meinen eigenen Gedanken heraus, eine andere
Wesenheit, denn ich bedurfte des Dialogs. Und dieser andere, den ich kraft meiner
Gedanken manifestierte, war Ah K’al Balaam, der höchste Kenner der Gesamtheit. Zuerst
meditierten wir gemeinsam, Ah K’al Balaam und ich, in der Absicht, die Gedanken und
Bedürfnisse des anderen zu erkennen und zu verstehen. Dieser Ah K’al Balaam wurde zu
meinem ätherischen Ebenbild und beweglichen Stellvertreter, da ich selbst an dem Ort, wo
ich mich befand und an dem mich die Sternenerschaffer meditierend geboren hatten,
verweilen mußte.

Kraft meiner Gedanken reiste Ah K’al Balaam zu den benachbarten Sternensystemen.
Äonen verstrichen zwischen den Gedanken. Schließlich aber kehrte Ah K’al Balaam zurück
und berichtete mir über viele seltsame Dinge. Wo einst die Sternenerschaffer gewesen
waren, befand sich nun der ‚Leuchtende Anker’ mit seiner Zentralsonne Alcyone.

Dort, im Herzen von Alcyone, war Layf-Tet-Tzun, der wie ich selbst von den
Sternenerschaffern meditierend geboren worden war. Und um ihn versammelt waren auch
andere so entstandene Sternenmeister: Arc-tu-mo, An-Tara, Si-Kinich-Rex und noch viele
weitere, welche ich hier nicht namentlich nenne. Wir alle aber befanden uns nun in der
größeren Meditation Layf-Tet-Tzuns. Die Sternenerschaffer hatten sich in ein ‚die Matrix’
genanntes Reich begeben, welches von der Liga der Fünf bewacht wurde.

Ah K’al Balaam erzählte mir auch von der Experimentalzone und von dem einen
namens ‚Luzifer’. So erfuhr ich von meiner Position in der als ‚Velatropa’ bezeichneten
Experimentalzone, wo sich Luzifer in Quarantäne befand. Und mit diesem Bericht Ah K’al
Balaams endete meine ursprüngliche Meditation. Nun mußte ich erwachen und mich auf
meinen größten schöpferischen Akt vorbereiten - die Erschaffung meines Planetensystems.
Nun war es an Ah K’al Balaam, in die Meditation einzutreten. Sobald Ah K’al Balaam
die als ‚kristall-galaktische Klanglinie’ bezeichnete Meditation eröffnet hatte, begann ich zu
singen. Mein Lied breitete sich wie eine gewaltige, feurig-kristalline Klangwelle aus, raste auf
vielen Wegen gleichzeitig dahin und erscholl in vielen Zuvuyas. Äonen verstrichen nach
dem ersten Ton meines Liedes, bis das ferne Echo von Hunab Ku mich seinen Widerhall
vernehmen ließ und mir die Kraft für einen weiteren Atemzug verlieh.

So wußte ich, wie weit meine Stimme trug. Nun begann ich erneut zu singen, dieses
Mal, um die Planetenerschaffer wachzurufen, damit sie mein Lied erwiderten. Ich sang mit
ganzer Kraft, doch ich erhielt keinen Widerhall. Wo waren die Planetenerschaffer? Erst als
ich mein Lied mit bis dahin unvorstellbarer Gedankenenergie erklingen ließ, wurde es von
den Planetenerschaffern schließlich erwidert. Dann, nach einem unruhig verlaufenen Äon
des gemeinsamen Singens, entnahmen die Planetenerschaffer und Bahngestalter meinem
flammenden Körper die Materie für die Geburt meiner Sternenkinder, jener winzigen,
‚Planeten’ genannten Kugeln.

Wer waren diese Planetenerschaffer eigentlich? “Antareanische Planungseinheit”,
erklärte mir der Ah K’al Balaam, womit er die Meditation unterbrach, welche dieses Feuer
des Singens und der einander kreuzenden planetaren Klanglinien begleitete. “Weshalb
fragst du?”

“Ich empfinde eine Dissonanz, fühle, daß ein Akkord fehlt. Was ich singe, wird nicht
vollständig erwidert”, so antwortete ich. Zwölf orbitale Flügel zu haben war meine
Bestimmung gewesen, doch als die vibrierenden, pulsierenden Klangmuster unseres
Gesangs verebbten, schien es nur zehn Flügel zu geben - zehn Planeten und einige
umherziehende Kometen. Verkörperten diese Kometen gar die fehlenden Planeten? Wie
konnte all dies nur geschehen? War ich selbst unvollkommen? War der Plan der
antareanischen Planetenerschaffer fehlerhaft? Oder war es vielleicht sogar dieser Luzifer,
der für das Fehlen der zwei Planeten die Verantwortung trug?

“Ah K’al Balaam”, rief ich meinem meditierenden ätherischen Ebenbild zu, “du mußt
diese antareanischen Planetenerschaffer finden. Stelle fest, was geschehen ist und warum
ihr Projekt nicht ordnungsgemäß realisiert werden konnte.”

Als der Ah K’al Balaam von seiner Mission zurückkehrte, erfuhr ich folgendes: Eine
junge, aber schon sehr kraftvolle Sängerin war aus den Reihen der Antareaner
verschwunden. Es wurde vermutet, daß Luzifer sie entführt oder gestohlen hatte. Infolge
ihrer Abwesenheit und aufgrund des Fehlens ihrer Macht und ihres Wissens wurde das
Muster der Klanglinien disharmonisch. Darüber waren die Antareaner sehr traurig. Soweit
sie sich entsinnen konnten, hatte es bis jetzt kein Projekt gegeben, welches sein Ziel nicht
erreicht hatte.

Ich verstand. Ich erinnerte mich. Mein Wissen war sogar viel tiefer als jemals zuvor. Dies
ist Velatropa. Dies ist die Experimentalzone. “Laß die Antareaner wissen, daß ich keinen
Groll gegen sie hege. Laß sie ruhen. Schärfe ihnen aber ein, daß sie ein Team fähiger
Planetenzähmer ausfindig machen müssen”, so wies ich Ah K’al Balaam an, bevor ich ihn
auf eine weitere Mission entsandte.

Dann trat ich neuerlich in eine tiefe Meditation ein, deren Ziel die Auslösung und
Erinnerung des verlorenen Akkordes ist. Sehr lange bin ich nun schon in dieser Meditation
verweilt.