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Auf Procyon, welcher hundeartig vor dem majestätischen Sirius aufgeht (so stellt es sich zumindest an eurem nächtlichen Himmel dar), nahm die Entwicklung des Rates der Magier ihren Anfang. Sogar für euch Zeit-Mücken im Kohlenstoffkreislauf der Erneuerungsepoche von Kinich Ahau besitzt das Wort ‚Magier’ immer noch einen Klang, der von ehrwürdiger Macht kündet und respektvolles Verhalten gebietet. Wärt ihr nur in der Lage, eure grundlegende Selbst-Täuschung und eure Todesfurcht abzulegen, dann könntet ihr wieder zu erkennen beginnen, welche Macht wirklich in eurem Begriff ‚Magier’ enthalten ist.

Bevor der Adler sich in die Lüfte erheben kann,
Muß der Magier den Morgenhimmel malen;
Sobald der Adler über den Himmel gleitet,
Muß der Magier hoch über ihm die Sterne verteilen;
Von den Wurzeln bis zur Krone trägt der Baum des Magiers
Blätter und Früchte, um euch zu befreien.”

Dies ist meine Geschichte, mein Bericht, den sprechenden Blättern der unsterblichen Bäume von Procyon entnommen. Ich bin Merlyn. Geboren aus den Bäumen von Procyon, der aufspringenden Knospe einer arkturianischen Sonde, beschworen durch das Lied der Herzensliebe des weisen Memnosis - ich bin Merlyn.

Meine Geschichte beginnt lange, bevor eure Geschichtsschreiber und Troubadoure je von meinem Namen hörten. Lange bevor die Steinkreise errichtet wurden und die
altberühmten Tempel vom tiefen Grund eurer Ozeane aufragten, wandelte ich bereits über die Klippen und Berghänge eures Planeten. Und auch nachdem das letzte Lied eures letzten Sängers verklungen ist, wird sich mein Geist unbegrenzt und vielgestaltig aus den Wäldern eures Planeten erheben, denn ich bin Merlyn, und dies ist meine Geschichte.
Im Anschluß an die Versammlung am runden Tisch des Memnosis im ZSR-Satelliten bildete ein kleines Kontingent von analogischen Sinneskeimzellen einen Kreis, wobei seine Mitglieder ihre ihnen jüngst verliehenen Schilde mit dem achtfältigen Sternenwappen von Arkturus trugen. Unter diesen Analogikern befand sich auch Memnosis, Erster der Arkturianer.
Als Memnosis den letzten Schild niedergelegt hatte, erscholl der Ruf: ‚Sinneskeimzellen nach vor!’

Dort, an jenem ersten runden Tisch, inmitten der Ringe rauchenden Lichtes und der
Strahlen duftender Gedanken, wurde sodann der Plan für die nächste Probe beschworen. Procyon in Velatropas Mitte! Ort der ungezähmten Elemente und des schöpferischen Chaos!” verkündete die Stimme des Orakels. Die Lichtkugel in unserem Zentrum drehte sich schneller und schneller. Bilder, telepathische Strahlen, fremdartige und doch vertraute Wesenheiten nahmen in rascher Abfolge Gestalt an und lösten sich wieder auf. Die Wellen der Erregung schlugen immer höher.

Dann explodierten aus Memnosis’ Herzen die Emanationen in einem gewaltigen Regen aus Gestalten und panoramischen Szenerien. Der blendende Wirbel aus lebendigen Formen erreichte sein orgasmisches Crescendo. Schwärze. Vorübergehendes Vergessen. Magischer Flug.

Körperlose Flügel aus Feuer. Visionen des Lichtes, ohne Augen, sie zu sehen.
Dann kam ich zu mir, erwachte zu mir selbst und trat in meine Existenz ein. Da war ich in einem Baum, einem riesigen, stetig wachsenden Stamm aus Nervenbahnen und nährendem Mark. Ich, Merlyn, hervorgebracht aus dem Innern eines Baumes. Als ich mich von dem Baum löste, mich von seinen Schuppen und seiner Rinde, seinen Nervenbahnen und Blättern, seinen Wurzeln und pilzbewachsenen Ästen trennte, spürte ich mich selbst in einer neuen vegetabilen Körperform. Memnosis war nur noch eine verblassende Erinnerung. Noch undeutlicher war die Erinnerung daran, wie ich hierhergekommen war. Doch als ich meine Augen schloß, um in mir
nach einem Hinweis zu suchen, zeigte sich mir, in der verdunkelten Halle meines Seins vor meinem inneren Auge strahlend, der Schild von Arkturus. In blauen und violetten Farbtönen leuchtend pulsierte er in meiner Vision. Schließlich verstand ich: Procyon war niemals gezähmt worden. Mehrere luziferische Missionen hatten auf den inneren Planeten Procyons, welche zu Opfern falsch eingeschätzter chemischer ‚Inschriften’ wurden, ein rasches Ende gefunden. Und doch gab es hier bereits noch etwas anderes. Auch ich war hier, der ich meine Existenz einer Herz-Emanation des Memnosis verdanke. Wie Memnosis war ich nicht länger viele, sondern einer. Und der Name auf meiner Zunge war der Name, unter dem ich mich selbst kannte: Merlyn.

Der Zustand, in dem ich mich nach der Abtrennung von dem Baum befand, war ein Zustanderstaunlicher Unschuld und phantastischer Formbarkeit. Um ein geistiges Bild zu erzeugen, mußte ich nur daran denken, und es war augenblicklich da. Als ich erkannte, daß meine Gedankenkraft so stark war, daß vorgestellte Ereignisse tatsächlich eintraten, ließ ich bei allem, was ich dachte, größte Vorsicht walten. Einfach deshalb, weil ich mir einen bequemen Ruheplatz gewünscht hatte, erschien zur Befriedigung meiner Bedürfnisse ein Turm aus großen, kristallinen Blöcken lavendelfarbenen arkturianischen Marmors.

Nachdem ich den Turm betreten hatte, fand ich eine Wendeltreppe vor und stieg langsam ihre 208 Stufen empor. Unmittelbar nach der letzten Stufe war eine Art von Tür. Ich drückte nur leicht dagegen, als sie sich bereits mit einem lauten, donnernden Geräusch öffnete. Hinter der Tür befand sich ein Raum, der an ein Labor oder ein Atelier erinnerte. Die Ecken des Raumes wirkten kühl und dunkel, und seine Wände bestanden offenbar aus einer durchsichtigen oder halb durchsichtigen Substanz. Viele Wesenheiten flüsterten mir zu, als ich sah, wie sich die Wände gleich einem Webstuhlschiffchen nach oben und unten, nach vor und
zurück bewegten.

Es schien mir, als ob ich mühelos emporgehoben und in verschiedenen Körperhaltungen zu unterschiedlichen Bereichen des Raumes getragen würde. Jede Position, die mein Körper einnahm, wurde von ganzen Gemälden aus Licht und mentalen Wahrnehmungen begleitet, die sich vom jeweils anderen hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres Inhalts völlig unterschieden.

Ich erkannte, daß die Positionen und Bewegungen gezielte telepathische Anweisungen der anderen Analogiker waren, wo auch immer sie sich aufhalten mochten. Mit Sicherheit befanden sie sich nicht auf Procyon.

Sobald ich aber an sie dachte, erschien rund um mich ein großer Kreis aus Sinneskeimzellen- der Rat der Magier. An dieser Stelle müßt ihr jedoch verstehen, was wir mit ‚Magier’ meinen.
Denn dies ist es, wessen wir uns in jenem Augenblick des Werdens bewußt waren.
Ein Magier ist ein Ältester von Procyon, eine Herz-Emanation von Memnosis, Erinnerung an die Todeslosigkeit. Ein Magier verfügt über verschiedene arkturianische Codes und Zauberkräfte. Vor allen Dingen verfügt der Magier über den Schlüssel zur Heilung und Verfeinerung der Augen des Herzens, sodaß die Liebe in reiner Form aus dem Spiegel hervorzubrechen vermag, welcher den Segen der zusammengerollten Schlange reflektiert.

Vielleicht denkt ihr jetzt, daß unsere Sprache rätselhaft und poetisch ist. Aber nein, reibt euch noch einmal die Augen und hört einfach genauer zu. Hört auf den Wind in den Bäumen, die auf euren sternengekrönten Hügeln und Talgründen stehen. Ist es nicht genau dort, wo ihr uns, den Stimmen von Merlyn, begegnen werdet? Denn so war es auch auf Procyons verlorener Welt, wo Intelligenz und Schönheit in einem Wald sich ständig wandelnder Bäume ruhen. So bleiben wir Magier, deren Fähigkeiten uns von Merlyn, dem ersten, der den Baum verließ, gegeben wurden, unseren Gesetzen und unserem Wissen treu, und wir sind dazu ausersehen,
dieses Wissen zu den verlorenen Welten zu tragen, auf daß diese Welten wieder gefunden werden mögen. Hört uns zu, denn wir sind die Drachenzüngigen. Unsere Standhaftigkeit verbindet den Geist mit allen Dingen. In unserem zeitlosen Herzen sind wir die Werdenden des Todes und die Erinnerer an die Todeslosigkeit. Unsere magischen Worte und Zauberkräfte öffnen Herzen und enthüllen die Wahrheiten der Loyalität. Mit dem Zepter des kristallinen Spiegels zeigen wir jedem, der uns fragt, die feste Ordnung seiner eigenen gespiegelten Wahrheit.

Kein Planet vermag die nächsthöhere Stufe seiner Entwicklung zu erreichen, ohne den Kreis des ersten Magiers zu erflehen. In jenem Kreis ist das Wissen des Magiers innerhalb einer Kristallkugel versiegelt. Der Magier trägt nicht nur Sterne in seiner Krone - denn in jener spitz zulaufenden Krone von unermeßlicher Schönheit sind alle Zauberkräfte enthalten. Um einen Magier zu finden, finde einen Baum. Denn von den Bäumen Procyons habe ich den Zauber ausgesprochen, daß in jedem lebenden Baum ein Magier darauf wartet, seine Wahrheit zu verkünden.