3. DER HETEROKLITISCHE SIEG ÜBER DIE LIGA DER ZEHN
Die Normabweichungen der Lebensformen auf den beiden äußersten Planeten
des Arkturus-Systems, welche schließlich die Namen Ur-Ark-Tania Major und Ur-Ark- Tania Minor erhielten, wirkten auf folgende Weise zusammen: Jedes Sinnesorgan der Lebensformen auf Major wurde vergrößert, um sich auf die durch die wechselseitige elliptische Anziehung der zwei Planeten bedingte ungleichmäßige Gravitation einstellen zu können. Aus demselben Grund wurden die Sinnesorgane der Lebensformen auf Minor entsprechend verkleinert.
Diese Unregelmäßigkeiten, welche sich im Laufe des evolutionären Kreislaufes noch
erheblich vergrößern sollten, standen in deutlichem Kontrast zur Situation auf den zehn anderen Planeten des Arkturus-Systems. Auf diesen Planeten, aus denen sich die Liga der Zehn zusammensetzte, hatte sich ein stabiles, einheitliches Spektrum von Lebewesen entwickelt. Obgleich jeder der zehn inneren Planeten des Arkturus-Systems seinen eigenen Magnetisch-Gravitationalen Index aufwies, so folgten doch alle Sinnesorgane der Lebensformen dieser Planeten demselben Wachstumsverhältnis. Es gab zwar graduelle Unterschiede, aber im Verhältnis zueinander entsprachen all diese Lebensformen einem einheitlichen Grundtypus.
Den Kodizes der Liga der Zehn zufolge bestand der Zweck des Lebens darin, die
inneren Pulsationen der Zentralsonne, von Arkturus selbst, zu stabilisieren und dadurch eine positive Grundlage für die Verstärkung der Leuchtkraft und Strahlung des gesamten Systems zu schaffen. All dies befand sich natürlich im Einklang mit den Richtlinien des ZSR und der ursprünglichen Matrixliga der Fünf.
Innerhalb der großen Evolutionszyklen liefen die Dinge auf den zehn inneren
Planeten des Arkturus-Systems in geregelten Bahnen ab - so geregelt, daß sich eine
merkwürdige Anomalie ereignete. Das Bewußtseinsniveau der Liga der Zehn stabilisierte sich so weit, daß eine Art Abgestumpftheit eintrat. Das schöpferische Element war allmählich aus dem System verschwunden.
Bereits in den Anfängen der Besiedelung hatten sich Verteidigungsbündnisse zum
Schutz des Lebens gebildet. Als jedoch die Besiedelung zur Routine geworden war und sich die Entwicklung des Lebens mit seiner ihm eigenen Geschwindigkeit vollzog, wurden die Arkturianischen Verteidigungssysteme (AVS) immer noch stetig vergrößert und wuchsen schließlich weit über ihr erforderliches Maß hinaus. So verblaßte das ursprüngliche Programm des ZSR allmählich im Bewußtsein der Liga der Zehn. Das großartige Ziel des ZSR wurde durch den Selbstzweck der Verteidigung und Sicherheit für alle ersetzt. Aus diesem Grund bezeichneten wir Bewohner der heteroklitischen Planeten die Mitglieder der Liga der Zehn als die Schläfer.
Tatsächlich bestand der letzte erhabene und heroische Akt der Liga der
Zehn in der Besiedelung der zwei unregelmäßigen Planeten von Ur-Ark-Tania.
Doch auch dies fand nur statt, nachdem das ZSR große Anstrengungen
unternommen hatte, um die selbstgefällig gewordenen Liga der Zehn-Mitglieder
noch einmal zu inspirieren.
Wir, die Heterokliten von Ur-Ark-Tania, bezeichnen uns als Kinder des ZSR, weil
wir glauben, daß unsere Existenz unmittelbar auf den Wunsch des ZSR zurückzuführen ist, die Schläfer der Liga der Zehn wachzurütteln. Schließlich sind wir es, die Heterokliten von Ur-Ark-Tania, die Entdecker der Techniken der geheimen Zeit-Teilhaberschaft, welche die Erstarrung der Liga der Zehn überwanden und damit die großartige Weiterentwicklung des Arkturus-Systems gewährleisteten. Auf diese Weise wurde der Sieg über die Liga der Zehn errungen.
Natürlich waren die Ältesten der Liga der Zehn auf die Lösung für die Entwicklung
Ur-Ark-Tanias sehr stolz (obgleich diese Lösung nicht wirklich von ihnen sondern
vom ZSR gefunden worden war). Und obwohl die Entwicklung von unregelmäßigen
bzw. anomalen Sinnesorganen nun eine Tatsache war, dachten die Ältesten nicht
sonderlich über die sich daraus ergebenden Konsequenzen nach. Sie setzten voraus,
daß sich die ur-ark-tanischen Sinnesorgane zum Zeitpunkt ihrer frühen Jugend in
jedem Falle auf der gleichen Entwicklungsstufe wie jene der Liga der Zehn befinden
würden. Denn dann würden Emissäre zum elften und zwölften Planeten (Major und
Minor) entsandt werden, und schließlich - nach einer Reihe formeller Feierlichkeiten und dem üblichen polysensorischen Pomp - würden wir alle in der Liga der Zwölf vereint werden.
Derartiges sollte aber nicht der Fall sein. Denn ob das vom ZSR beabsichtigt war oder nicht - in Ur-Ark-Tania ereignete sich etwas sehr Ungewöhnliches.
Zu dem Zeitpunkt, da die Heterokliten beider Planeten telepathische Verbindung
zueinander herstellten, trat ein unerwartetes schöpferisches Element auf den Plan. Es zeigte sich in Gestalt unkontrollierbarer Ausgelassenheit und Fröhlichkeit.
Zuerst hatte es den Anschein, als ob der Humor vom Wahrnehmungsvermögen der
äußerst unterschiedlichen Sinnesorgane herrührte, über welche die zwei Arten von
Heterokliten verfügten. Als sich die Lage einigermaßen beruhigt hatte und bevor die
Ausgelassenheit neuerlich außer Kontrolle geriet, begriffen einige unserer Ältesten, daß die eigentliche Ursache für die Vergnügtheit und Fröhlichkeit aus der perfekten
wechselseitigen Anpassung verschiedener Sinnesorgane resultierte. Insgesamt betrachtet schien die generelle Anpassung zwischen den vergrößerten Sinnesorganen der Heterokliten von Ur-Ark-Tania Major und den verkleinerten Sinnesorganen der Heterokliten von Ur-Ark-Tania Minor schon bald natürlich und geradezu zwangsläufig zu sein.
Bereits wenige gegenseitige Planetenumläufe später machten wir Heterokliten eine
überaus wichtige Entdeckung: Telepathische Zeit-Teilhaberschaft führt zu pansensorischem Orgasmus. So entstand die Liga der geheimen Zeit-Teilhaber. Geheim war diese Liga aus folgendem Grund: Als unsere neugefundenen Freuden zuerst die Aufmerksamkeit der Ältesten der Liga der Zehn erregten, bestand ihre Antwort aus Ablehnung und Bestrafung. Unsere zwei Planeten wurden mit künstlichen elektromagnetischen Kraftfeldern umgeben. Doch all dies war lediglich ein Beweis für die Unwissenheit der Liga der Zehn-Ältesten.
Obgleich die künstlichen Kraftfelder anfänglich Verwirrung unter uns erzeugten,
stimulierten sie uns eigentlich in weiterer Folge dazu, immer höhere Stufen der Erregung zu erreichen. Die Ursache dafür ist, daß sich die zwischen unseren zwei Planeten übertragene telepathische Sinnlichkeit mit dem von den elektromagnetischen Kraftfeldern erzeugten Widerstand erhöht. Dieser Widerstand wird für die Aufwallungen telepathischer Leidenschaft zu einem phantastischen Nährstoff, welcher die erotischen Zentren zu immer größeren Leistungen intensivierten Liebesspiels anregt.
Als unsere Rassen genuß-süchtiger Heterokliten von immer höheren Wogen der
Ekstase mitgerissen wurden, machte sich bei den Ältesten der Liga der Zehn ein Gefühl tiefer Bestürzung breit. Vor allen Dingen hatten die Ältesten der Liga der Zehn Angst, weil sie niemals eine solche leidenschaftliche Intensität und noch viel weniger den uns eigenen telepathischen Austausch erfahren hatten. Ihre Angst umgab sie schließlich mit einer dunklen Wolke. In dieser Wolke waren die Geheimnisse der verlorenen Planeten und der zerrissenen Sternensysteme verborgen. Das mächtige, graue Eis des Krieges erfüllte ihren Geist.
Gewaltige Flugkörper wurden auf unsere Zwillingsplaneten abgefeuert und zerstörten ganze Bereiche unserer Existenz. Dennoch versetzte uns dies nicht in Schrecken. Wenn wir natürlich die künstlichen Kraftfelder vollständig zu unserem Vorteil hätten nützen können, hätten wir noch einiges mehr entdeckt, was die Ältesten der Liga der Zehn verblüffen und sie geistig bereichert hätte.
Und es war ausgerechnet in diesen dunklen und gefährlichen Momenten, daß uns eine Lösung zufiel, welche nicht nur weitreichende Folgen für die Auflösung dieses Konfliktes sondern überhaupt für jenen Fortschritt hatte, der später als Arkurus-Probe bezeichnet werden würde.
Es war freilich niemals unser Ansinnen, die Liga der Zehn zu besiegen oder auf andere Weise zu überwinden, sondern sie vielmehr aufzufordern, in unser Feld der intensivierten erotischen Stimulation und des telepathisch herbeigeführten pan-sensorischen Orgasmus einzutreten. Während die Ältesten der Liga der Zehn uns Heterokliten mit der Zeit als lasterhafte Abkömmlinge betrachteten, als nichtsnutzige Nachzügler auf einer Art von Trip, den sich nicht einmal die größten Hedonisten in der Liga der Zehn vorstellen konnten, so sahen wir die Ältesten als bloß in ihrem Verhalten erstarrte Wesenheiten an, die mehr mit ihrer Sicherheit als mit Sex beschäftigt waren und folglich nicht unbedingt zu den lustigsten Zeitgenossen gehörten.
Unsere stärkste Waffe war unsere fortgeschrittene Telepathie, kombiniert mit den
Bedürfnissen unserer ungleichförmigen Sinnesorgane. Zwar verfügte die Liga der Zehn über Telepathie, aber sie hatte sie nie weiterentwickelt. Daher war das, was sie als Telepathie bezeichnete, in unseren Augen nicht mehr als ein schwerfälliges, automatisiertes System äußerer elektrischer Impulse, welches nur zur Informationsübertragung verwendet wurde. Keine Poesie, keine angeregten mantrischen Verse. Bloß Information. Und da sich diese Information auf abstrakte Verhältnisse gründete, welche die Kraft der sinnlichen Erfahrung zunehmend schwächten, war sie zudem noch nutzlos.
Wir Heterokliten erkannten rasch unsere Überlegenheit. Jetzt war alles, was wir
benötigten, eine Methode, diese Überlegenheit zum Besten aller einzusetzen! Der
heteroklitische Sieg über die Liga der Zehn war nun lediglich eine Frage der Zeit - und es sollte wahrlich eine Frage der ZEIT sein!