Die obere Atmosphärenschicht expandiert und kontrahiert in einem 27-Tage-Zyklus - vergleichbar mit einer extrem langsamen Lunge. Jetzt haben Forscher einen bislang unbekannten Atemrhythmus der oberen Luftschicht entdeckt. Die Atmosphäre kann demnach nicht nur atmen, sondern auch hecheln.
In knapp 100 Kilometern Höhe beginnt die Thermosphäre, die bis in rund 500 Kilometer reicht. Alle 27 Tage dehnt sie sich aus und zieht sich wieder zusammen - Wissenschaftler bezeichnen dies als Atmen der Thermosphäre. Sie wissen auch, was hinter diesem bizarren Phänomen steckt: Die genau 27 Tage dauernde Rotation der Sonne - und die damit verbundenen extremen Schwankungen der von ihr ausgehenden UV-Strahlung.
Doch die Erdatmosphäre beherrscht noch eine weitere Atemtechnik.
Satellitenmessungen belegen, dass die Thermosphäre zusätzlich in einem 9-Tage-Rhythmus schwankt. Über diese Beobachtung berichten Jeffrey Thayer von der University of Colorado und seine Kollegen auf dem Herbsttreffen der American Geophysical Union in San Francisco.
Man wisse, dass die äußere Atmosphärenschicht expandiere und kontrahiere, wenn sie Energie mit dem Weltall tausche, erklärte Thayer. Dieses Atmen habe Dichteänderungen der Thermossphäre zur Folge - mit erstaunlichen Konsequenzen. Wegen des veränderten Luftwiderstandes können Satelliten von der prognostizierten Umlaufbahn abweichen - das Tracken der Orbiter wird erschwert, zusätzliche Korrekturmanöver werden nötig.
Den bislang unbekannten 9-Tages-Rhythmus fanden die Forscher bei der Auswertung der Daten zweier Satelliten, darunter auch der deutsche Orbiter "Champ". Eine Frequenzanalyse der "Champ"-Messungen des Jahres 2005 ergab, dass die Dichte der Thermosphäre nicht nur mit einer 27 Tage langen Periode schwankt, sondern auch alle 9 Tage.
"Wir waren überrascht, dass diese Dichteschwankungen in allen unseren Beobachtungen so konsistent aufgetreten sind", sagte Thayer. Auch hinter dieser neuntägigen Schwankungsperiode steckt nach seinen Angaben die Sonne. Allerdings sind nicht UV-Strahlungsunterschiede, sondern extrem schnelle Sonnenwinde der Auslöser. Diese Sonnenwinde stammen aus sogenannten koronalen Löchern, die sich immer wieder in den Polarregionen der Sonne bilden und Richtung Äquator wandern.
"Für den neuntägigen Rhythmus gibt es eine einfache Erklärung", sagte Thayer. Man müsse sich nur drei Suchscheinwerfer auf einer rotierenden Scheibe vorstellen, die untereinander jeweils um den Winkel von 120 Grad versetzt seien. Bei einer Umdrehung sei dreimal ein Suchscheinwerfer zu sehen, dies erkläre den Neun-Tage-Rhythmus. Ähnlich wie die Suchscheinwerfer seien auch die koronalen Löcher auf der Sonne verteilt.
Die Entdeckung der bislang nicht bekannten Dichteänderung mit neuntägiger Periode kann nach Angaben der Forscher die Laufbahnvorhersage von Satelliten verbessern. Wegen der immer größeren Zahl von Orbitern sei dies enorm wichtig, um Kollisionen zu vermeiden. Zudem helfe die Erkenntnis bei der Überwachung von Weltraumschrott, der Satelliten und das Leben von Astronauten bedrohe, erklärte Thayer.
Quelle: spiegel.de