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Chemtrails sind nach einer aus den 1990er Jahren stammenden Verschwörungstheorie künstlich (mit chemischen Mitteln) hervorgerufene Kondensstreifen (Contrails bzw. Sublimationsstreifen), die neben den kondensierten Flugzeugabgasen noch weitere Zusätze enthalten sollen. Sie sollen sich von „klassischen“ Kondensstreifen vor allem durch ihre Langlebigkeit und flächige Ausbreitung unterscheiden.
Erstmals im deutschen Sprachraum veröffentlicht wurde die Verschwörungstheorie im Artikel Die Zerstörung des Himmels der Zeitschrift Raum & Zeit vom Januar 2004. Sie kursierte aber bereits einige Jahre vorher in einigen esoterischen Webseiten und Internet-Foren.[1]
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Verschwörungstheorien
Ausbreitung
Nach der Verschwörungstheorie soll es sich bei Chemtrails nicht um normale Kondensstreifen handeln, und diese bestünden nicht aus Eiskristallen, sondern aus diversen chemischen Substanzen. Dies wird versucht zu belegen, indem an Hand alter Fotos die Behauptung aufgestellt wird, dass sich diese nicht derart ausbreiten und auflösen würden, wie dies bei normalen Kondensstreifen vor dem Jahr 2000 der Fall gewesen wäre.
Nach Aussagen des Deutschen Wetterdienstes weisen Beobachtungsdaten auf keinerlei Veränderungen von Kondensstreifen hin.[2] Sowohl dem Umweltbundesamt als auch dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sind diese beschriebenen Phänomene nicht bekannt. Jahrelange Untersuchungen des Instituts für Physik der Atmosphäre ergaben keine Hinweise darauf.[2]
Die Ausbreitungsform und -geschwindigkeit sowie die Beständigkeit der Kondensstreifen hängen von Faktoren wie Temperatur, lokaler Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit ab. Bei hoher Luftfeuchtigkeit können Abgaspartikel als Kristallisationskeime wirken, weiteren Wasserdampf binden und sich bei entsprechenden Strömungen weit ausbreiten. In der Wetterkunde sind Kondensstreifen als eine Art künstliche Cirruswolken schon viel länger bekannt, als die angebliche organisierte Klimaänderung stattfindet. Kondensstreifen, die am Himmel stehen bleiben, sind der Wetterkunde zufolge Anzeichen für Wetteränderungen.
Klimaveränderungen
Weiter wird spekuliert, dass großflächig Substanzen versprüht würden, um eine Beeinflussung des Klimas zu erreichen. Durch die Ausbringung von vornehmlich Barium- und Aluminiumverbindungen solle die Einstrahlung der Sonne vermindert und der durch Treibhausgase ausgelöste Treibhauseffekt kompensiert werden.
Das Umweltbundesamt merkt an, dass es für ein Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre keinerlei wissenschaftliche Belege vorliegen.[2]
Die durchschnittliche Temperatur hat in Deutschland in den letzten Jahren zu- und nicht abgenommen, wie es jedoch bei einer erfolgreichen Anwendung von chemischen Zusätzen in Flugzeugtreibstoffen zu erwarten gewesen wäre. Forschungsergebnissen der NASA zufolge bleiben die Albedowerte (Licht- und Wärmerückstrahlung in den Weltraum) der Erde konstant bzw. nehmen sogar ab.
Einen gewissen Auftrieb erhalten derartige Verschwörungstheorien auch durch wissenschaftliche Vorschläge zum Stopp der Erderwärmung:[3] Der Chemienobelpreisträger Paul Crutzen möchte dies durch künstliche Verfrachtung von Schwefel in die Stratosphäre erreichen. Der australische Forscher Tom Wigley will mit der Doppelstrategie „Schwefel-Injektionen“ und „Reduktion der Treibhausgasemissionen“ die Erderwärmung stoppen.
Es befinden sich verschiedene Vorrichtungen auf dem Markt wie sogenannte Towerbuster (abgekürzt TB), Cloudbuster, Chembuster und Orgonit-Platten, die angeblich in der Lage sein sollen, Chemtrails aufzulösen. Die Wirksamkeit dieser Vorrichtungen ist nicht belegt und nicht wissenschaftlich nachvollziehbar.
Greenpeace[4] bewertet die Spekulationen über Chemtrails in einem eigenen Artikel als Verschwörungstheorie.
Wie auch andere Verschwörungstheorien (z. B. die „Aids-Leugnung“) wird auch die Chemtrail-Theorie von der rechtsextremen NPD offensiv verbreitet. So stellte die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag von Dezember 2005 bis Januar 2006 insgesamt fünf Anträge, um die Staatsregierung zu einer Stellungnahme zu dieser angeblichen Wetterbeeinflussung aufzufordern.
Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen weist darauf hin, dass die Behauptung im Artikel Die Zerstörung des Himmels der Zeitschrift Raum & Zeit 127/2004,[1] nach der sie eine Risikoanalyse über sogenannte Chemtrails unternommen habe, falsch ist. Zudem liegen ihr über die Existenz von Chemtrails keinerlei Kenntnisse vor.[2]
Verschwörungstheorie-Literatur
- Gerd Hohberger: Gefahr? 2004, ISBN 3-939359-21-1.
- Christian Haderer: Chemtrails. 2005, ISBN 3-85365-213-1.
- Frank Hills: Chemische Kondensstreifen über Deutschland. 2005, ISBN 3-938235-17-9.
Literatur
- Holm, Hümmler: Chemtrails – Zwischen Meteorologie und Verschwörungstheorie. Skeptiker 2/2006, Seiten 48–55.
Weblinks
- Bruce A. Wielicki und andere: Changes in Earth’s Albedo Measured by Satellite. Science Ausgabe 308, 2005, S. 825
- Welche Rolle spielen Kondensstreifen für unser Klima? – das Max-Planck Institut für Meteorologie
- Fotografische Widerlegung sogenannter Chemtrails
Einzelnachweise
- ↑ a b Gabriel Stetter: Die Zerstörung des Himmels. raum & zeit 2004 (127) (PDF)
- ↑ a b c d Chemtrails – Gefährliche Experimente mit der Atmosphäre oder Fiktion? Informationsseite des Umweltbundesamtes über Chemtrails (PDF)
- ↑ patft.uspto.gov – Stratospheric Welsbach seeding for reduction of global warming Welsbach-Patent
- ↑ M. Keiffenheim: Ein Himmel voller Verschwörer. Greenpeace Magazin 5/2004