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Von Roman Deininger
Glaubt man Roland Emmerich und den Mayas, soll um Weihnachten 2012 die Welt untergehen. Ein oft wiederholtes Millennium oder wirklich das Ende der Zeit?
Emmerich, Sony picturesGrossbild Auf der Flucht: Roland Emmerichs "2012". (Foto: Sony pictures)
Emmerich ist schon länger Fachmann in Sachen globaler Zerstörung. In seinen Filmen hat er zur Ausradierung der Menschheit bereits Außerirdische, eine Riesenechse und eine neue Eiszeit bemüht. Nun ist er - beim Googlen, wie er zugibt - auf ein weiteres Weltuntergangsszenario gestoßen. Und nicht irgendeines. Nach der enttäuschenden Folgenlosigkeit der Millenniumsmarke fiebern Apokalyptiker in seltener Einmütigkeit dem 21. Dezember 2012 entgegen, jenem Tag, für den die Maya angeblich das Ende der Zivilisation vorausgesagt haben. Unzählige Bücher, Dokumentationen und Webseiten gibt es schon zum Thema. Der 2012-Mythos ist zu einer kleinen Industrie geworden.
Emmerich sitzt an einem großen Tisch mitten im dichten mexikanischen Tropenwald. Na gut, er sitzt im Ballsaal des Ritz-Carlton-Hotels in Cancun, aber sein Filmstudio hat den Raum mit einer Lastwagenladung Gestrüpp vollgestellt und Lianen an die Decke gehängt. Exotische Vögel zwitschern aus Lautsprechern. "Ob die das noch ausschalten?", fragt Emmerich, bevor er sich formvollendet vor einer Antwort auf die Frage drückt, ob er den Prophezeiungen tatsächlich glaubt. "Die Maya-Mythen sind faszinierend", sagt er, "das macht den Film für die Zuschauer natürlich zwingender."

Zehn Dinge über den ... Weltuntergang Rahmen
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Cancun ist ein mexikanisches Mallorca mit Strandbars, Hotelpalästen und Appartmentburgen. Wer von Cancun nach Chichen Itza fährt, 190 Kilometer nach Westen, der fährt in einen anderen Kosmos. In der Ruinen-Stadt, dem versunkenen Zentrum der einstigen Maya-Hochkultur, schimmern verwitterte Tempel und Paläste, Reliefmauern und Skulpturen im Abendrot.
"Was ist das?", fragt Senor Sanchez seine Reisegruppe und zeigt hinter sich, auf die Pyramide des Schlangengottes Kukulcan. Es wird wohl eine Pyramide sein, sagt einer aus der Gruppe. Senor Sanchez korrigiert: "Sie schauen hier auf einen Kalender." Die Maya seien ein großes Volk gewesen, doch wenn man ein einzelnes ihrer vielen Talente hervorheben wolle, dann das: "Sie verstanden sich auf Zeit und Zahlen."

Die Maya waren begnadete Beobachter der Himmelsgestirne. Die Pyramide richteten sie zentimetergenau am Stand der Sonne aus. Zweimal im Jahr, wenn die Sonne um den 21. März und den 21. September über dem Himmelsäquator steht, legt sich auf die Fronttreppe ein Muster aus Licht und Schatten, das einem Schlangenkörper ähnelt. Der Schlangengott Kukulcan scheint seine Pyramide hinunterzugleiten. Ein atemberaubendes Schauspiel, selbst auf den in Plastik geschweißten Fotos, die Señor Sanchez aus seinem Rucksack holt.
Die Präzision der Maya, setzt er seine Beweisführung fort, dürfe dem modernen Menschen durchaus Sorgen bereiten, besonders mit Blick auf ihren "Langen Kalender". Der sei zwar tatsächlich lang, 5125 Jahre umfasst ein Zyklus, aber die seien eben demnächst vorüber. Kurz vor Weihnachten 2012. Er erklärt das Ganze mathematisch näher, es geht um Zeiteinheiten, die alle auf "-tun" enden. Dann ritzt er mit der Rückseite seines Kugelschreibers etwas in den Boden: 0, 0, 0, 0, 0. "Das Ende der Zeit", sagt Señor Sanchez und schaut dabei sehr ernst.
Weltuntergang, Sony pictures So sieht bei Emmerich der Weltuntergang aus. (Foto: Sony pictures)
Emmerich findet, 2012 sei die "Mutter aller Katastrophen-Filme", das klingt unbescheiden, ist nach Ansicht einiger Minuten Rohschnitt aber nicht ganz auszuschließen. Er habe sich hier endlich mal nicht zurückhalten müssen wie bei "Independence Day" und "Godzilla", sagt er, und legt dabei seine Miene in Beton, um den Verdacht von Ironie im Keim zu ersticken. Wenn jedenfalls alle ins Kino gehen, die 2012 das Ende erwarten, dürfte Emmerich Probleme haben, das ganze eingespielte Geld auszugeben in den drei Jahren, die ihm bleiben.
Es sind ja nicht nur die Maya, die für 2012 das Ende prophezeiten. Das chinesische Orakel I Ging ist nach Dafürhalten mancher nun doch nicht wie angenommen eine Interpretationshilfe bei Münzwürfen, sondern ein Mondkalender mit tödlichem Ende. Andere wollen im Alten Testament einen unheilvollen Bibelcode erkennen, und ebensolche Vorzeichen im verlorenen Buch des Nostradamus.

Ufos entführen Milchkühe

Apokalyptiker gibt es überall, aber die Amerikaner sind dem Doomsday-Kult in besonderer Weise zugetan, weil christliche Endzeitvorstellungen in Amerika schon immer salonfähig waren und seit den sechziger Jahren auch esoterisch ausfransen. Fast 150 Buchtitel sind in den USA derzeit zum Thema 2012 lieferbar, und die erfolgreichste Show im Nachtprogramm des amerikanischen Radios beschäftigt sich fast täglich mit dem, was da kommen mag. "Coast to Coast AM" heißt sie, bis zwei Uhr morgens wird hier sehr ernsthaft über Dinge wie die Entführung von Milchkühen durch Ufos diskutiert oder über die Echtheit neuer Fotos von Jim Morrisons Geist.
Unlängst war Drunvalo Melchizedek zu Gast, ein Autor und "Engelskenner", der zunächst mit der Nachricht verstörte, dass das "Zeitfenster" für die "bevorstehende Erdveränderung" schon seit 24. Oktober 2007 offen stehe. Immerhin entließ Melchizedek die Hörer mit aufmunternden Worten in die Nacht: "Klar wird es eine Menge Zerstörung geben, aber es wird auch eine neue Menschheit geboren werden." Melchizedek deutet auf die Hintertür des Weltuntergangs: Die Maya haben es versäumt, das Geschehen nach Ablauf ihres Kalenders näher auszumalen.
Die beliebteste Theorie: 2012 werden das Zentrum der Milchstraße, die Erde und die Sonne auf einer Achse liegen. Die vitalen Energieflüsse zwischen Milchstraße und Erde werden durch die sich dazwischen tölpelnde Sonne unterbrochen. Welche Naturkatastrophen das nun genau auslöst, ist noch ungeklärt. Emmerich entscheidet sich pragmatisch für mehrere: den Ausbruch eines Supervulkans, Meteoriten-Regen und himalaya-hohe Flutwellen, was aber im Übrigen alles nicht genug ist, um seinen von John Cusack gespielten Helden umzubringen.

"Mit dem Planeten läuft etwas falsch"

Andere haben friedlichere Ideen. Die Stunde null, sagen sie, sei nicht das Ende. Sie sei ein Anfang, der Aufbruch in eine neue, bessere Zeit. Daniel Pinchbeck sagt: "Wir stehen kurz davor, in einen Bewusstseinszustand überzugehen, der intuitiver, mystischer und schamanischer ist." Pinchbeck ist Anfang 40, New Yorker, Bohemien und Esoteriker. Er trägt lange Haare und eine Designerbrille. Er ist der Popstar der 2012-Bewegung, ein psychedelischer Millennialist. Die Ära des "Materialismus und einer rationalen, empirischen Weltanschauung" habe ihr "Ablaufdatum" erreicht, erklärt Pinchbeck. Die Menschen merkten, dass "etwas falsch läuft mit unserem Planeten."
Pinchbeck hat christliche Eschatologie und New-Age-Kultur verschmolzen, und darauf eine Gemeinschaft der Zivilisationsmüden gegründet. Klimawandel, Finanzkrise, Energieknappheit und Kriege haben ihm die Anhänger zugetrieben. Er hat die Apokalypse cool gemacht in mancher Galerie und manchem Yoga-Studio. Durch sein professionelles Marketing ist er den Konkurrenten überlegen, dem Ex-Princeton-Professor Jose Arguelles etwa, der vor zwanzig Jahren der Pionier des 2012-Mythos war und eine "universelle Welt der Telepathie" heraufdämmern sieht.

"Tag der Abrechnung"

"Absoluter Nonsens", sagt Susan Milbrath, Maya-Expertin am Florida Museum of Natural History. Sie meint damit Arguelles, Pinchbeck, und alle anderen 2012-Propheten. Es gebe ja nicht mal einen Beweis dafür, dass die Maya mit dem Ende ihres Kalenders den Untergang der Zivilisation verbunden hätten. Seriöse Naturwissenschaftler weisen auch darauf hin, dass die Sonne zwischen Milchstraße und Erde einen Stepptanz aufführen könnte, ohne auch nur einer Ameise weh zu tun.
Solche Einwände verfehlen den "zentralen Punkt", sagt Robert Gleason, ein New Yorker Autor und Lektor, den man als "gemäßigten" Apokalyptiker beschreiben könnte. "Das Gute an der Idee von 2012 ist doch, dass sie uns zwingt, auf unsere Probleme der Gegenwart zu schauen." Der Mensch müsse seine Gier kontrollieren lernen, denn irgendwann, ob 2012 oder später, komme der "Tag der Abrechnung".

Was passiert nun wirklich?

Aber was passiert nun wirklich in drei Jahren? Prognosen sind schwierig, sie betreffen ja die Zukunft, sagt Robert Gleason, und schwört, dass er von Karl Valentin noch nie gehört habe. Es schade aber nicht, sich vorzubereiten, findet er. "Dosennahrung in größeren Mengen besorgen, Klebeband und eine funktionierende Taschenlampe".
Emmerichs Studio Sony Pictures hat im Rahmen der Filmwerbung auch ein paar Leitlinien formuliert, demnach ist im Weltuntergangsfall das Gespräch mit der Familie zu suchen und hernach ein Schutzraum. Und sogar Roland Emmerich hat sich einen Krisenplan zurechtgelegt, den er weiterempfehlen kann. Am 22. Dezember 2012, sagt er, werde er gleich nach dem Aufstehen "das Fenster aufmachen und schauen, ob die Welt noch da ist."

Roland Emmerichs "2012" läuft ab dem 19. November in deutschen Kinos.

Quelle:  http://www.sueddeutsche.de