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von Daniel Dombey, Brüssel

Aus der “Financial Times” / FT.com / Europe / 1. Mai 2005

Quelle:

http://news.ft.com/cms/s/7832f628-ba6e-11d9-a27b-00000e2511c8.html

Hinter verschlossenen Türen in einem bayerischen Hotel wird eine Gruppe mächtiger Männer und Frauen in dieser Woche über die Zukunft der Welt debattieren.

Die 120köpfige Versammlung, bekannt als die Bilderberger-Gruppe, nach dem niederländischen Hotel, wo sie sich erstmals 1954 trafen, hat zahllose Verschwörungstheorien hervorgebracht, die genährt werden durch die „Off-the-record-Natur“ der Versammlung und den Ruf ihrer Teilnehmer. Zum Steering Committee der Gruppe gehören Josef Ackermann von der Deutschen Bank, Jorma Ollila von Nokia, Richard Perle, der frühere Berater des Pentagon, Vernon Jordan, ein Vertrauter des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, Jürgen Schrempp von DaimlerChrysler, Peter Sutherland von Goldman Sachs International, Daniel Vasella von Novartis und James Wolfensohn von der Weltbank.

Als Gastredner waren bereits u. a. Alan Greenspan, der Chef der US Federal Reserve, und US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eingeladen.

In den wilderen Ecken des World Wide Web wurde schon spekuliert, daß Projekte wie der Euro und die Europäische Union selbst von den Bilderbergern ausgebrütet worden seien.

Aber die Zielsetzung der Organisatoren der Gruppe ist gemäßigter als die hektischen Cyberchatter es vermuten würden. Sie sehen es als ein Forum, in dem Offizielle, Akademiker und Geschäftsleute von beiden Seiten des Atlantiks offen miteinander reden und dadurch einander besser verstehen lernen.

Sie haben mit vielen der größten Probleme der Welt gerungen, vom Aufstieg Südostasiens im Jahre 1956 über den technologischen Abstand zwischen den USA und Europa 1967 bis zu Wirtschaftsbetrug in 2004.

„Es ist keine kapitalistische Verschwörung, um die Welt zu lenken.“, sagt Etienne Davignon, der ehrenamtliche Chairman der Bilderberger und frühere Vizepräsident der Europäischen Kommission. „Wenn wir wirklich glauben würden, wir lenken die Welt, würden wir sofort in totaler Verzweiflung aufgeben.“

Für Geschäftsleute ist die Möglichkeit ein großer Anreiz, eine Art informeller Kontakte zu knüpfen, die in anderen Versammlungen kaum zu erreichen sind, wo meist Mitarbeiter dabei sind. Dies gilt insbesondere für europäische Verantwortliche, die in der Regel weniger gut bekannt mit politischen Vertretern sind als ihre amerikanische Gegenseite.

Jedoch, auch wenn er darauf besteht, daß die Bilderberger noch keinen Konsens zwischen den Mächtigen der Welt erreicht haben, haben Mr. Davignon und seine Vorgänger versucht, die Gruppe in Richtung der Schlußfolgerung zu lenken, daß Europa und die USA sich mehr engagieren müssen.

Die Hoffnung ist, daß sogar die aufsässigsten Politiker und Wirtschaftsführer, die oft vom Steering Committee gezielt ausgewählt warden, sich dort kooperativer geben.

Die gemeinsamen Mahlzeiten, die traditionelle Formlosigkeit, durch die die Sportsakkos von vor 20 Jahren ersetzt wurden durch offene Hemdkragen, und die Abwesenheit der Ehegatten dienen alle dazu, einen Geist der Kameradschaft zu erzeugen.

Es funktioniert nicht immer. Im Jahre 2003 kochten die Spannungen über den Irak-Krieg über, während das letztjährige Meeting ruhiger verlief.

Die diesjährige Tagung wird eröffnet mit einer Diskussion unter dem Vorsitz von Henry Kissinger, dem früheren US-Außenminister, über die Bedeutung der „Freiheit“, ein heißes Thema, seit Präsident George W. Bushs freizügiger Umgang mit dem Wort in seiner Inaugurationsrede Anlaß zu Spekulationen gab über eine weltweite US-Agenda für Regimewechsel.

Natan Sharansky, der Autor von Mr. Bushs Lieblingsbuch über Demokratie, wird teilnehmen, genau wie Bernard Kouchner, der Gründer von „Medecins sans Frontières“ und frühere UN-Gesandte im Kosovo.

Andere Sitzungen während des langen Wochenendes, das sich vom Dinner am Donnerstag bis zum Lunch am Sonntag erstreckt, werden sich mit Themen wie Non-Proliferation, der Rolle Rußlands, Israel-Palästina, US-Versuchen einer Reform der Sozialversicherung und Europas Lissabon-Agenda für wirtschaftliche Liberalisierung beschäftigen.

„Wir trafen uns gerade in den späten neunziger Jahren, um zu sehen, ob wir diese Treffen noch brauchen, jetzt, da die Berliner Mauer gefallen ist.“, sagt Martin Taylor, Generalsekretär der Bilderberger und früherer Chief Executive von Barclays. „Aber wir entschieden sehr schnell, daß die Sicherheitsthemen nicht verschwunden sind. Die transatlantischen Beziehungen sind nichts, was man für gegeben nehmen kann.“

Der Beginn dieses Jahrhundert sah auch die Gruppe konfrontiert mit den wiedererstarkten US-Republikanern, einer Bewegung, die einigen Widerstand hervorrief gegen den Einfluß der Neokonservativen.

Jedoch Figuren wie Paul Wolfowitz, der umstrittene kommende Weltbankpräsidend, sind langfristige Mitglieder, während eine breite Masse von Teilnehmern sowohl von Europa und den USA mehr traditionelle atlantische Standpunkte haben.

Im Laufe der Jahre haben die Bilderberger ihren ursprünglichen Fokus auf Sicherheitspolitik aufgeweicht und beschäftigten sich mehr mit wirtschaftlichen Themen.

Mr. Davignon jedoch glaubt, daß die Aufgabe, die Karikaturen auszuradieren, die Europäer und Amerikaner voneinander haben, genau so wichtig ist wie noch vor einem halben Jahrhundert.

„Man entdeckt bei der Gelegenheit Dinge neu.“, sagt er unter Bezug auf das Wechselspiel zwischen Wirtschaft und Politik und die gegenseitige Abhängigkeit von Europa und den USA. „Wenn man sie dann tiefer betrachtet, findet man, daß es sie immer gegeben hat.“

http://news.ft.com/cms/s/7832f628-ba6e-11d9-a27b-00000e2511c8.html

Übersetzung: Franz Bludorf

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Anmerkung: Dieser Text wurde nicht von den Eigentümern dieser Website, Grazyna Fosar und Franz Bludorf verfaßt. Wir geben ihn hier ohne Kommentar zur Kenntnis, was nicht bedeutet, daß wir mit sämtlichen Aussagen des Artikels übereinstimmen.

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