DIE KOSMOLOGIE DES WELTENBAUMES
Von Dr. Carl Johan Calleman - aus dem Buch die Seiten 39-43
Die vier Hauptrichtungen
Wenn die Geschichte eine zyklische Wellenbewegung menschlicher Kreativität ist, wie werden dann ihre Wellen erzeugt?
Um dies zu verstehen, müssen wir die Kosmologie des Weltenbaumes studieren, die in Mittelamerika vor der Ankunft der Europäer weit verbreitet war.
Als die Spanier im Jahr 1517 zum ersten Mal das Land der Maya betraten, trafen sie an den Mittelpunkten der Götterverehrung der Maya auf große bemalte Kreuze. Auf der Insel Cozumel nahe der Halbinsel Yucatán hatte beispielsweise eine Pyramide in ihrem Hof ein drei Meter hohes, stehendes Kalkkreuz. Die Spanier erfuhren, dass solche Kreuze Darstellungen des Weltenbaumes waren, und aus diesem Grund wurden die Kreuze grün angemalt (wie es die christlichen Kreuze in der Region heut noch gelegentlich sind). Gemäß den Maya ist es der Weltenbaum, der die Vier Richtungen der Welt erschafft und aufrechterhält. Nach der spanischen Eroberung wurde dieser Weltenbaum mit dem katholischen Kreuz vermischt, aber im Glauben der Maya bewahrt dieses neue christliche Kreuz noch viel von seiner alten Bedeutung als das Zentrum des Kosmos.
Diese Anschauung der Welt mit vier Richtungen und vier Ecken haben die Kosmologien aller alten amerikanischen Völker gemeinsam, z.B. auch in dem allgemein bekannten Medizinrad ausgedrückt, das weiter nördlich auf diesem Kontinent verwendet wurde.
Die Vier Richtungen sind mit verschiedenen Energien und Farben verbunden, die ihnen verschiedene Qualitäten verleihen. Die Vier Richtungen haben eine Beziehung zum Mittelpunkt der Welt, von den Maya „Yaxkin“ genannt. Auf den ersten Blick mag dies nicht viel anders erscheinen als die allgemein übliche Sicht der Europäer, aber die Bedeutung, die diese Richtungen gegeben wurde, unterscheidet sich deutlich von dem, was heute üblich ist.
In der Sicht der alten Amerikaner verkörpern die Vier Richtungen geistige Qualitäten, die das menschliche Leben je nach dem herrschenden Zeitzyklus unterschiedlich beeinflussen. Die spirituellen Winde, die von den Vier Richtungen erzeugt werden und die verschiedene Zeitzyklen beherrschen, sind das Wesentliche in der Sicht der Maya, während in der typisch europäischen Sicht die Vier Richtungen lediglich als ein passives Koordinatensystem, angewendet auf die Erde, angesehen werden.
Und doch kann die Aufteilung der Welt nach den Vier Richtungen, die mit verschiedenen Qualitäten verbunden sind, für uns alle natürlich klingen. Die meisten von uns erkennen zumindest beträchtliche mentale und spirituelle Unterschiede zwischen den Richtungen Ost und West.
Während wir den Osten als von kollektiven Strukturen und einer meditativen Neigung beherrscht sehen, wird der Westen als individualistisch, extrovertiert und handlungsorientiert gesehen. Was ist der Hintergrund dieser Unterscheidung? Wo ist die Linie, die den Osten vom Westen trennt? Wo ist im geografischen Sinne der Mittelpunkt des planetarischen Medizinrads?
Einer oben ausgesprochenen Hypothese über die Trennlinie zwischen Ost und West
Zufolge liegt sie bei 12° östlicher Länge und geht durch Zentraleuropa und Zentralafrika, das ist die Mittellinie der irdischen Kontinentalmasse, die sich von den westlichsten Punkt Alaskas bis zum östlichsten Punkt Sibiriens hin erstreckt. Doch weil wir nicht vorwiegend an physikalischer, sondern an spiritueller Geografie interessiert sind, müssen wir die Existenz einer solchen hypothetischen Mittellinie auf andere Weise überprüfen.
Um die Trennlinie zwischen Ost und West im spirituellen Sinn zu identifizieren, müssen wir stattdessen den Mayakalender anwenden und die Richtungen studieren, in denen die spirituellen Winde geweht haben, als sich die Energien der Dreizehn Himmel des Großen Zyklus verändert haben. Wir können dann die historischen Ereignisse verfolgen, die an den Baktun-Verschiebungen des Großen Zyklus in Bezug zu einer hypothetischen Mittellinie des Planeten auftraten, die durch 12° östlicher Länge verläuft.
Der Sarkophagdeckel vom Grab im Tempel der Inschriften in Palenque – eines der berühmtesten aller Kunstgegenstände der Maya. Der Große Pacal ist hier dargestellt, wie er in die Wurzeln des Weltenbaumes sinkt, um später
als seine Zweige wiedergeboren zu werden.
Die Winde der Geschichte
Wie vorhin erwähnt, tauchten die ersten patriarchalischen Zivilisationen mit Schrift, Monarchien, groß angelegten Bauwerken und religiösem Glauben an einen Schöpfergott am Beginn des Großen Zyklus auf.
Dieses Auftauchen fand in dem Gebiet statt, das fruchtbarer Halbmond genannt wird und sich von Ägypten über Israel und Syrien bis nach Mesopotamien erstreckt.
Innerhalb der ersten Hälfte des Großen Zyklus bleib dieses Gebiet an der Spitze der zivilisierten Entwicklung.
Erst zu Beginn des siebenten der Dreizehn Himmel des Großen Zyklus, der im Jahr
749 v. Chr. zu herrschen begann, entwickelte sich bei 12° östlicher Länge eine höhere Zivilisation.Ein Zeichen des Erwachens einer Zivilisation, genährt von diesem Siebenten Himmel, war das die Etrusker von Norditalien in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts v.Chr. ein Schreibsystem entwickelten. Um etwa dieselbe Zeit wurden die ersten Stallsiedlungen auf dem Palatin gegründet, was sich im mythischen Jahr der Gründung Roms 753 v. Chr. widerspiegelt. Bei den Mexica wurde manchmal über diesen Siebenten Himmel gesagt, er würde von Tonacatecuhutli/Tonalaciutl beherrscht werden, der männlichen/weiblichen Dualität, die den Menschen Lebensunterhalt bietet, und manchmal von Cinteotl, dem Gott des Mais’ und des Unterhalts.
Nach der Gründung einer historischen Kultur auf der hypothetischen Mittellinie wird es möglich, den historischen Winden an Baktun-Veränderungen in Verbindung mit dieser Linie zu folgen. So begann der nächste Himmel im Jahr 355 v. Chr. mit dem Vormarsch des persischen Königs Artaxerxes III. Ochus nach Westen, um Ägypten und Kleinasien zurückzuerobern und die Athener zu unterjochen. Eine Bewegung aus dem Osten in Richtung planetarischer Mittellinie initiierte so den Achten Himmel.
Etwa um die folgende Verschiebung am Beginn des Neunten Himmels im Jahr 40 n. Chr. herrschte eine Expansionspolitik im neu organisierten Römischen Reich, so dass es sich in dem darauf folgenden Zwanzig-Tun-Zeitraum so wie ausdehnte, dass es das heutige England und Wales, Marokko, Algerien und Bulgarien umfasste.
Diese Expansion von der Mittellinie begann übrigens zeitgleich mit dem Antritt der Missionsreisen des Apostel Paulus, um den christlichen Glauben in Kleinasien und Griechenland zu verbreiten. Gemäß den Mexica beherrschte Quetzalcoatl, der Gott des Lichtes diesen Himmel.
Aus den Seiten 39 – 43
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aus dem Buch „Der Maya Kalender und die Transformation des Bewusstseins"von Dr. Carl Johan Calleman www.calleman.com