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Das Internet jagt einen Massenmörder

Entführung, Vergewaltigung und Mord: Seit 26 Jahren leiden die Menschen in Uganda unter dem Rebellenführer Kony. Aber wer kennt Kony schon? Eine Gruppe von Aktivisten will nun mit einer Web-Kampagne den Verbrecher an die Weltöffentlichkeit zerren.
Der „Messias“ Joseph Kony ist Rebellenführer in Uganda. Die von Kony angeführte Lord’s Resistance Army hat geschätzte 66.000 Kinder entführt und zu Soldaten gemacht und ist für die interne Vertreibung von 2 Millionen Menschen verantwortlich. Quelle: dapd
Der „Messias“ Joseph Kony ist Rebellenführer in Uganda. Die von Kony angeführte Lord’s Resistance Army hat geschätzte 66.000 Kinder entführt und zu Soldaten gemacht und ist für die interne Vertreibung von 2 Millionen Menschen verantwortlich. Quelle: dapd
Düsseldorf„Ich wäre lieber tot, als in dieser Welt zu leben“, sagt Jakob ein Teenager aus Uganda. Der Junge musste mit ansehen, wie Soldaten der Rebellenarmee Lord’s Resistance Army (LRA) seinen Bruder umbrachten. Er bricht in Tränen aus und das Bild wird schwarz, während der Filmemacher Jason Russell versucht, ihn zu beruhigen. Jakob ist nur eins von tausenden Kindern, das vor der LRA auf der Flucht ist. Sollten sie gefangen werden, droht den Jungen ein Leben als Kindersoldaten - die Mädchen werden zu Sexsklavinnen.
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Seit 26 Jahren terrorisiert der selbsternannte Gotteskrieger Joseph Kony auf einer Fläche von rund 100.000 Quadratkilometern zwischen Uganda, Zentralafrika, dem Kongo und dem Süden des Sudan die Menschen. Seit 2004 liegen mehrere internationale Haftbefehle gegen ihn vor - und dennoch betreibt er bis heute ungestraft sein erschreckendes Handwerk.
http://www.theresolve.org/blog/wp-content/uploads/2012/03/resolve-kony2012-header-SMALL.jpg
Über das Internet - allen voran Facebook, Twitter und Youtube - läuft zur Zeit eine beispiellose Kampagne: Ein Film gegen die Gräueltaten des „Messias“, der versucht die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Situation in Uganda zu lenken. Und nebenbei Werbung für die gute Sache macht und zu Spenden aufruft.
„Die Technologie, die unsere Welt zusammengebracht hat, hilft uns auf die Probleme unserer Freunde zu reagieren”, sagt Jason Russell. Er und Laren Poole, zwei amerikanische Filmemacher, waren 2003 zum ersten Mal nach Afrika gereist, um dort den Völkermord in Darfur zu dokumentieren. Sie wurden Zeugen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gründeten ein Jahr später die Non-Profit-Organisation „Invisible Children“.
Diese Organisation steckt hinter der Internetkampagne „Kony 2012“, die den Rebellenführer bis Ende diesen Jahres hinter Gittern und zur Rechenschaft gezogen sehen will.
http://www.handelsblatt.comhttp://on3.de/imperia/md/images/7/7/c/77cca5900b4a4b921996a12ed52f3864e3e4ca3a.jpg
KONY 2012 is a film and campaign by Invisible Children that aims to make Joseph Kony famous, not to celebrate him, but to raise support for his arrest and set a precedent for international justice.

Kony 2012 jagt den Falschen

Die Kampagne Kony 2012 nutzt die Mechanismen des Netzes geschickt, aber sie führt in die Irre. Uganda hat ganz andere Probleme als den Kriegsherrn, kommentiert A. Endres.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-03/kony-2012-invisible-children-kritik

Am heutigen Tag, dem 07.03.2012, wurde ich durch den häufigen Repost eines Videos mit dem Titel “KONY 2012” auf eine selbsternannte NGO mit dem Namen “Invisible Children” aufmerksam, die laut ihren Prämissen Spenden sammelt, um Kindern, die in Uganda als Soldaten und Sexsklaven missbraucht werden zu helfen. Zeitliche Unstimmigkeiten und diverse Foreneinträge, die im weiteren Verlauf dieses Blogeintrags rezitiert werden, haben mich jedoch stutzig gemacht. Aus diesem Grund versuche ich nun den Konflikt, der -um es vorweg zu sagen- weit tiefer geht als zuerst angenommen, und das drumherum aufzubröseln und Licht ins Dunkle zu bringen.
Um welchen Konflikt geht es? Wer oder was ist KONY?
Vor knapp 26 Jahren begann im Norden Ugandas ein Bürgerkrieg der zwischen der Regierung Ugandas und der LRA, der “Lord’s Resistance Army” unter der Führung von Joseph Kony. Kony war bekannt, zahlreiche Kinder für seine Machenschaften zu rekrutieren und benutzte sie ebenso als menschlichen Schutzschild, um sich vor Anschlägen zu schützen. Da bis zu Beginn des neuen Jahrtausends keine erfolgreichen Friedensverhandlungen stattfanden, die besonders die Kinder geschützt hätten, wurde 2003 scheinbar aus diesem Grund die NGO “Invisible Children” gegründet. Ziel war es, Spenden für eben die Kinder zu sammeln, die in dem Bürgerkrieg misshandelt werden.
Was auf dem ersten Blick nach einem richtigen Schritt aussieht, bekommt auf dem zweiten und dritten Blick einen bitteren und erschreckenden Nachgeschmack. Denn das Video “KONY 2012”, welches aktuell alle Social Networks durchfegt ist wenn man es einfach formulieren will Schnee von gestern. Wenn man nämlich bedenkt, dass es seit 2008 einen offiziellen Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Parteien gibt und die Zahl der misshandelten Kinder erwiesenermaßen zurückgeht und es dem Land immer besser geht, fragt man sich, weshalb im Jahr 2012 immernoch damit geworben wird. Um das jedoch näher zu durchleuchten und verständlicher zu machen werde ich nun noch weiter in die Materie gehen.
Invisible Children und die UDPF
Um die wahren Motive von Invisible Children zu verstehen muss man sich ihre zweite offizielle Prämisse ansehen:
“That the U.S. military advisers support the Ugandan Army until Kony has been captured and the LRA has been completely disarmed. They need to follow through all the way and finish what they have started.”
Auf Deutsch bedeutet dies sinngemäß, dass das U.S. Militär (unter dem Deckmantel von Invisible Children) die Armee Ugandas so lange unterstützt, bis Kony gefangen und die LRA komplett entwaffnet ist. Was auch hier nach einem “guten” Motiv aussieht, bekommt bei einem zweiten Blick einen faden Beigeschmack. Die UDPF -Ugandas Militär- ist in den Jahren des Bürgerkriegs nämlich genauso dafür bekannt gewesen, Kinder und Frauen zu vergewaltigen und Dörfer auszubeuten, wie die LRA es gemacht hat.
Observer.ug:
[…] UPDF soldiers bring alcohol from Uganda and sell it or give it to young women, including underage girls. Allegations of sexual exploitation of children by UPDF elements were reported by various sources.
Mit anderen Worten: Invisible Children hat sich bewusst auf die Seite des Militärs in Uganda gestellt, allein um Joseph Kony hinter Gittern zu bringen. Dass die UDPF dabei selbst höchst fraglich agierte wurde dabei komplett außer acht gelassen und wirft bei mir weitere Fragen auf. Geht es Invisible Children überhaupt noch um die Kinder? Ging es überhaupt irgendwann um die Kinder?
Militärische Intervention statt Kinderhilfe: fragwürdige Spendenausschüttung
Ein Blick auf die Verteilung der Spenden aus dem Jahr 2011 ist wie ein Faustschlag in die Magengrube. Da Invisible Children eine “non-profit-organization” ist, müssen alle finanziellen Ströme offengelegt werden. Konkret bedeutet dies:

(Quelle)
Interessant ist bei dem Schaubild die letzte Spalte. Ganz unten sieht man die insgesamt gespendete Menge von knapp 9 Millionen USD und darüber wie das Geld verteilt wurde. Erschütternd ist die zweite Zeile: nur knapp 2,8 Mio USD (!!!) wurde an die Regierung in Uganda “gespendet”, der Rest wurde für Reisen (Travel and Transportation: 1,07 Mio USD), Gehälter (Compensation Costs: 1,7 Mio USD), Produktionskosten (Production costs: 0,85 Mio USD) und vieles mehr “verbraucht”. Mehr als fraglich, wieviel von den 2,8 Mio USD wirklich Kindern zugute gekommen sind.
Was ist KONY 2012 also eigentlich? Um einen anderen Blogger zu zitieren: “War is profitable, especially for large arms economies such as the U.S. and the UK.” Das trifft es unter Umständen ziemlich genau. Profit. Afrikanische Länder mit Waffen auszustatten, sie zu militarisieren, ist ein unglaublich profitables Geschäft. Dass hier scheinbar unter dem Deckmantel des Kinderschutzes, um möglichst viele Menschen zum Spenden zu mobilisieren, daraufhin gearbeitet wird ist ein perfides sowie perverses Spiel mit den Menschen in Uganda. Ganz besonders mit den Kindern.
Fazit
Joseph Kony ist ein grausamer Mensch, der geschnappt werden muss. Wer Kinder als Schutzschild benutzt um sein eigenes Leben zu retten verdient es nicht anders. Was jedoch Invisible Children mit ihrer Kampagne KONY 2012 versuchen ist kein Versuch Kinder zu retten und ihr Leben zu verbessern. Wie so oft, geht es leider um Geld. Geld für Waffen, die Uganda, seit 1986 regiert von Yoweri Kaguta Museveni, der für seine menschenrechtsverletzenden Ansichten bekannt ist (so will er alle homosexuellen töten), zu einer stärkeren Militärmacht verhelfen sollen.

(Drei Mitgründer von Invisible Children mit Militärs; Quelle)
Doch was tun? Das zu beantworten ist nicht einfach und deshalb belasse ich jedem einzelnen selbst, was er/sie machen oder nicht machen würde. Doch bevor ich im Facebook einen Beitrag like und teile, würde ich diesen -gerade wenn es um so ein sensibles Thema wie dieses geht- zuallererst hinterfragen und reflektieren. Auf der Welt geschehen unvorstellbare Dinge, dieses ist nur ein Beispiel dafür.
Um nun zu einem Ende zu kommen rezitiere ich den Eintrag eines Bloggers:
[…] Is awareness good? Yes. But these problems are highly complex, not one-dimensional and, frankly, aren’t of the nature that can be solved by postering, film-making and changing your Facebook profile picture, as hard as that is to swallow. Giving your money and public support to Invisible Children so they can spend it on supporting ill-advised violent intervention and movie #12 isn’t helping. Do I have a better answer? No, I don’t, but that doesn’t mean that you should support KONY 2012 just because it’s something. Something isn’t always better than nothing. Sometimes it’s worse.
                                                         D.B.
http://tencalmminutesaday.tumblr.com/post/18908543425/kony-2012-eine-farce