Neue Eigenschaften durch Nanotechnik
Nehmen Sie den neuen Nano-Milch-Shake. Wie er schmeckt, können Sie später entscheiden: Je nachdem, wie stark Sie den Drink schütteln, schmeckt er nach Banane oder Erdbeere. Noch gibt es diesen Schütteldrink nicht. Doch der Forscher Manuel Marquez vom US-Lebensmittelkonzern "Kraft Foods" will seine Idee bald mithilfe der Nanotechnik Realität werden lassen. Unsere Videos können Sie mit dem Macromedia Flash-Player ab der Version 8.0 ansehen. Den neuesten Flash-Player können Sie beim Hersteller Adobe unter folgender Adresse kostenlos downloaden:
Nanotechnologie in Lebensmitteln (2'23'')
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Als Nanopartikel bezeichnet man Teilchen, die noch kleiner sind als feinste Staubpartikel. Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters. Um sich das vorstellen zu können, hilft ein Vergleich: Ein Nanoteilchen ist im Vergleich zu einem Fußball etwa so klein wie der Fußball im Verhältnis zur Erdkugel. Das Besondere an den Nanoteilchen ist, dass sie die Physik und Chemie quasi auf den Kopf stellen können: Verändert man im Nanobereich Strukturen, können brüchige Materialien plötzlich hart werden oder Moleküle, die vorher nicht zusammengepasst haben, gehen auf einmal eine Verbindung ein. Die Nanotechnik eröffnet den Entwicklungsingenieuren deshalb völlig neue Wege. Inzwischen sind weltweit mehr als 800 Produkte der Nanotechnik im Handel. Sie verbergen sich in Artikeln wie Autoreifen, Kosmetika und inzwischen auch in Lebensmitteln.
Nanokapseln dienen als Geschmackstransporter
Damit die Milch beim Schütteln ihren Geschmack verändert oder die Pizza ihre Farbe, kreieren die Forscher Nanocontainer. Diese winzigen Kapseln sind zwischen zehn und hundert Nanometer klein und bestehen meist aus Fettmolekülen. Sie können nach Belieben mit Vitaminen, Geschmacksstoffen oder Farbstoffen gefüllt und so präpariert werden, dass sie sich erst auflösen, wenn sie bestimmten Reizen - Schütteln oder Mikrowellen - ausgesetzt sind. Die Nanocontainer sind vor allem für das sogenannte Functional Food interessant - also alle jene Lebensmittel, die schon heute künstlich mit Vitaminen und Nährstoffen angereichert werden. Ein australischer Konzern hat zum Beispiel ein mit Fischöl gebackenes Brot auf den Markt gebracht, dessen Cholesterin senkende Omega-3-Fettsäuren sich erst im Magen entfalten. Bis jetzt ist es auch noch schwierig, Milchprodukte mit Kalzium anzureichern, denn ab einer bestimmten Menge klumpt es. Auch hier könnten Nanocontainer helfen, indem man einfach das Kalzium in eine Kapsel aus Proteinen packt.Nanofood - Konzerne erhoffen sich riesige Gewinne
Der Umsatz mit Functional Food steigt gewaltig. Schon heute beträgt das weltweite Umsatzpotenzial laut einer Schätzung des Fraunhofer-Instituts rund 20 Milliarden Euro - vor 15 Jahren lag es nahezu bei Null. In Europa sind die Deutschen mit bis zu sechs Milliarden Euro Umsatz die führende Nation bei den funktionalen Lebensmitteln. Kein Wunder also, dass alle Großen der Branche längst Nanoforschung betreiben. Unilever zum Beispiel versucht mit Hilfe der Nanotechnik Speiseeis herzustellen, das zehnmal weniger Fett enthält. Der Lebensmittelkonzern Cargill setzt auf nanotechnisch aufgepeppte Getränke. Nestlé finanziert Nanoforschung an den Universitäten Graz und Freiburg. BASF arbeitet an Vitaminen und anderen Zusatzstoffen in Nanoform. Es gibt auch bereits erste Patente. Einer der führenden Schokoladenriegel-Hersteller hat sich Schokolade schützen lassen, die auch in der prallen Sonne nicht so schnell schmilzt. Der Schokoladenüberzug enthält Titandioxid, was auch in Sonnenschutzmitteln verwendet wird. Das soll nach Angaben des Konzerns völlig ungiftig sein.Ist Nanofood gesund oder gefährlich?
Ob die Nanotechnik im Lebensmittelbereich tatsächlich so ungefährlich ist, wie die Industrie behauptet, ist bislang kaum erforscht. Da allerdings wissenschaftlich erwiesen ist, dass Stoffe in Nanoform andere Eigenschaften haben können als in ihrem Ursprungszustand, ist Vorsicht geboten. So können bei der Verkleinerung ungiftige Stoffe giftig werden. Außerdem kann sich das extrem kleine Nanopulver im Körper ausbreiten und möglicherweise Krebs auslösen. Am Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beschäftigt sich eine Projektgruppe mit den Risiken der Nanotechnik im Lebensmittelbereich. Können Nanopartikel in Gewebsschichten eindringen, die größeren Partikeln nicht zugänglich sind? Wenn sie dort einmal eingedrungen sind, wie lange verbleiben sie und was richten sie dort an? Antworten auf diese Fragen gibt es noch nicht.Verbraucher wünschen Kennzeichnungspflicht
Dabei sind einige Lebensmittel mit Nanopartikeln auf dem Markt, ohne dass sie speziell gekennzeichnet wären: Ketchup zum Beispiel enthält Siliziumdioxid, das ihn dickflüssiger macht, Titandioxide kann man in Salatdressing als Bleichmittel finden und Aluminiumsilikate verhindern das Zusammenbacken von pulverförmigen Lebensmitteln. Alle diese Produkte stehen schon länger in den Regalen und fallen deshalb nicht unter die europäische "Novel Food"-Verordnung für neue Lebensmittel. Für eine kleine nanotechnische Veränderung bei einem altbewährten Rezept - indem man zum Beispiel Siliziumdioxid hinzufügt, um es dickflüssiger zu machen - brauchen die Hersteller keine toxikologischen Untersuchungen vorlegen. Viele Verbraucherverbände fordern deshalb inzwischen - ähnlich wie für das Genfood - ein einheitliches Zulassungsverfahren und eine Kennzeichnungspflicht für Nanofood.Michael Ringelsiep, Stand vom 23.03.2011
Sendung: Nanotechnologie - Winzlinge mit großer Wirkung, 06.09.2010
http://www.planet-wissen.de
Sendung: Nanotechnologie - Winzlinge mit großer Wirkung, 06.09.2010